Diesmal fällt der 1. Advent auf den 1. Dezember, es ist immer der vierte Sonntag vor Weihnachten und markiert den Beginn der vorweihnachtlichen Adventszeit und gleichzeitig den Beginn des neuen Kirchenjahres. Advent kommt vom lateinischen adventus, was Ankunft bedeutet. Die Adventszeit ist eine Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft Jesu Christi in dieser Welt, eine Zeit der Vorfreude und der gespannten Erwartung. Was haben wir damals in der Schule gesungen?
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit;Es kommt der Herr der Herrlichkeit, Ein König aller Königreich, Ein Heiland aller Welt zugleich, Der Heil und Leben mit sich bringt; Derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, Mein Schöpfer reich von Rat.
Komm, o mein Heiland Jesu Christ,Meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein; Dein Freundlichkeit auch uns erschein. Dein Heilger Geist uns führ und leit Den Weg zur ewgen Seligkeit. Dem Namen dein, o Herr, Sei ewig Preis und Ehr.
Das sind die erste und die letzte Strophe, so haben wir es gesungen. Mir hat das Lied immer gefallen, es war so kraftvoll in der Melodie, es ist fest verwoben in meine Erinnerung an Weihnachten. Was wird heute den Kindern eigentlich in der Schule erzählt, was singen sie? Ich weiß es nicht, die Kinder, die zu meiner Familie gehören, leben im Ausland und haben eine andere Kultur, Weihnachten spielt da keine Rolle.
Und damit kommen wir auch schon zu den Krokodilen. Was haben die denn mit Weihnachten zu tun? Es geht um Kultur. Weihnachten gehört zu unserer Kultur, aber, anders als ich als Kind dachte, wird das Weihnachtsfest nicht überall gefeiert. Ich dachte damals, alle Menschen auf dieser Welt sind zu Weihnachten bei ihrer Familie, wenn sie nicht zusammen wohnen, kommen sie aber angefahren, wie meine Großeltern aus Berlin. Alle sind beisammen, überall leuchten die Kerzen am Baum, glitzern die Kugeln, und am 24. Dezember fliegt das Christkind zeitgleich (nur Kinder wissen, dass und wie das geht!) in jedes Haus und bringt den Kindern die Geschenke. Ich habe dann lernen müssen, dass dem nicht so ist und ich weiß noch, wie mein Großvater mir erzählte, dass einige Menschen an Heiligabend arbeiten gehen. Das hat mich entsetzt, es ist doch unsinnig, belehrte ich meinen Opa, man muss dann zu Hause sein und auf das Christkind warten! Meine Empörung kann ich noch gut erinnern. Da war ich noch nicht in der Schule und Fernsehen gab es nur wenige Stunden am Tag und Social Media war etwas, was man sich nicht mal im Ansatz vorstellen konnte. Von daher gab es nichts, was mich hätte zweifeln lassen können. An Heiligabend kam das Christkind und zwar überall hin und alle kriegten Geschenke. Punkt.
Wer kennt den Film „Dschungelkind“? Dort wird die (im großen und ganzen wahre) Geschichte von Sabine Kuegler erzählt, deren Vater mit seiner Familie 1979 in den Dschungel von Westneuguinea zieht, um dort als Linguist die Sprache und Gebräuche des neu entdeckten Stammes der Fayu zu studieren. Eine gänzlich andere Kultur, weit weg von Weihnachtsbaum und Lametta.
Der Film ist sehenswert, wenn er auch nicht ganz stimmt und einiges enthält, was es nie gegeben hat, er quasi ein wenig verwestlicht wurde, doch er vermittelt gut eine ganz andere Kultur. Ich habe mich damit beschäftigt, einfach weil ich es spannend fand. Das Leben von Sabine Kuegler ist außergewöhnlich, mit Höhen und Tiefen. Und es zeigt, was Kultur bedeutet. In einem selber drin, meine ich jetzt, was macht das mit uns, so zu leben, wie wir es tun? Die einen feiern das Zuckerfest, die anderen Weihnachten und wieder andere verehren Kühe als heilig.
Die Faju leben ganz anders als wir. Für sie ist die Gemeinschaft wichtig, der einzelne nicht. Nur als Gemeinschaft kann man im Dschungel überleben, der einzelne kommt um. Im Dschungel hat Sabine Kuegler gelernt, unsichtbar zu werden, um zu überleben – in der westlichen Welt dagegen muss man sichtbar sein. Das zu verstehen, diesen eklatanten Unterschied in den Kulturen, wie kann man das?<
Ich habe hier einige interessante Links
Es ist interessant, Sabine Kuegler zuzuhören, einer Frau, die in zwei komplett anderen Kulturen lebt bzw. gelebt hat. Und natürlich war ihre Rückkehr in die westliche Welt von vielen Schwierigkeiten begleitet, die zeit- und teilweise unüberwindbar erschienen. Aber irgendwann hat sie etwas begriffen, wie das neue Leben hier im Westen gelingen kann. Sie sagt es so: wenn man etwas versteht, dann kann man den Prozess anfangen, sich zu integrieren.
Und genau da kommen die Krokodile ins Spiel, es geht um eine Begebenheit aus ihrer Kindheit. Sie war mit ihren Eltern und einigen Faju in Booten unterwegs und dann sind sie wie so oft, schwimmen gegangen. Doch die Faju blieben in den Booten, was sie irritierte. Der Vater fragte dann hinterher, warum sie nicht auch geschwommen seien und bekam zur Antwort, weil dort die Stelle sei, wo die Kokodile sind. Warum sie das denn nicht gesagt hätten. Nun kommt der Satz, auf den es ankommt: Aber das weiß doch jeder!
Das sei ein Satz, den sie hier im Westen schon so oft gehört habe, wenn sie nicht gewusste habe, was sie denn nun tun oder denken müsse, wie sie sich denn nun verhalten müsse, was von ihr erwartet werde. Aber das weiß doch jeder! Sie hat dann gelernt, die Stellen zu meiden, wo im übertragenen Sinne die Krokodile schwimmen. Und seit sie das kann, kann sie hier auch „einfacher“ leben.
Anders ausgedrückt: wenn man in einer fremden Kultur überleben will, dann muss man wissen, wo die Krokodile schwimmen. Aber das weiß doch jeder 😉